Die Menschenkunde der Waldorfpädagogik (begründet durch Rudolf Steiner, 1861-1925) hat geistige Hintergründe, die die innere Haltung der Erzieherinnen und den Alltag mit den Kindern konkret oder bildhaft inspirieren.
Der Mensch im Mittelpunkt
Der Waldorfkindergarten ist christlich orientiert, dennoch unabhängig von jeder Konfession und zugänglich allen Eltern, die für die folgenden Gedanken offen sind. Jeder Mensch ist eine Individualität, dessen geistiger Wesenskern ein Leben im Wechsel auf der Erde und in der geistigen Welt führt. Diesen Gedanken der Reinkarnation lassen wir z.B. in der Geschichte zum Geburtstag jeden Kindes durchklingen, er beeinflusst unseren Blick auf das Kind und unser Verständnis für das Kind. Unsere erzieherische Aufgabe ist es, die Inkarnation dieses Kerns in Erkenntnis und Liebe zu begleiten, zu stützen und seine Entwicklung zur Freiheit zu pflegen.
Das erste Jahrsiebt – Schonung der seelischen Kräfte
Der Anfang des irdischen Lebens im 1. Jahrsiebt ist dadurch geprägt, dass der geistige Anteil des Menschen sich in dem angenommenen Leib zurecht finden muss. Jedes Kind durchläuft diesen Prozess unterschiedlich. In diesem Alter werden im Physischen die Grundlagen geschaffen, die die Entwicklung der Individualität zum freien Menschen dienen können. Es wird in diesem Alter im Kindergarten große Aufmerksamkeit und Pflege der leiblichen Hülle gegeben (z. B. durch Achten auf körperliche Wärme, Gesundheit, Sinnespflege und Bewegung).
Die seelischen Kräfte der Kinder, die Gedanken und Gefühle, werden wahrgenommen und anerkannt, aber sie werden noch nicht im Sinne einer speziellen Förderung oder Schulung in Anspruch genommen. Damit bleibt die körperliche Entwicklung der Kinder ungestört. Gelingt diese Schonung im Kindergarten und im Elternhaus, bekommen wir als Erwachsene die Chance, durch die Kinder etwas von der geistigen Welt zu erfahren. Die Kinder sind noch eng mit ihrem Ursprung verbunden und können uns ein tieferes, wenn auch den Kindern unbewusstes Wissen offenbaren. Was die Kinder uns schenken können, sind Gaben, die von uns behutsam mit dem Herzen zu empfangen sind.
Individualität und Gemeinschaft
Indem ein Kind in eine Gruppe aufgenommen wird, begegnet es den Individualitäten der anderen Kinder und der Erzieherinnen. Alle bilden zusammen eine Lebensgemeinschaft, die keineswegs dem Zufall unterworfen ist. Jeder, Kind oder Erwachsener, wächst durch seine Begegnung bzw. Konfrontation mit dem anderen. Das Kind sucht sich aus, was es von den anderen nachahmen will, je nachdem, wie und was ihm seinem Wesen nach entspricht.
Erziehung ist Selbsterziehung
Die Erzieherinnen wachsen in ihrer Aufgabe durch Selbsterziehung. Diese ist die Erziehungsquelle für das Kind: „Jede Erziehung ist Selbsterziehung und wir sind eigentlich als Lehrer und Erzieher nur die Umgebung des sich selbst erziehenden Kindes. Wir müssen die günstigste Umgebung abgeben, damit an uns das Kind sich so erzieht, wie es sich durch sein inneres Schicksal erziehen muss.“