Erziehung als Kunst

Der Mensch ist ein Kunstwerk. Wie jedes Kunstwerk zeichnet er sich durch Originalität aus und ist unverwechselbar. Der Künstler vermittelt zwischen Idee (Geist) und Wirklichkeit (Materie).

Als Erziehungskünstler begegnen wir dem Kind mit Offenheit und Verständnis für sein Wesen und seine Persönlichkeit. Wir wollen dem Kind die Möglichkeit geben, sich in Freiheit zu entfalten und seinem Wesen gemäß zu entwickeln.
Der künstlerische Prozess besteht darin, in der Begegnung mit dem Kind authentisch zu sprechen und zu handeln. Die pädagogische Kunst ist somit auch eine soziale.

Kunst in der Erziehung

Sowohl im Tagesablauf als auch im Wochenrhythmus werden mit den Kindern verschiedene künstlerische Tätigkeiten ausgeführt: bildnerisch beim Plastizieren (mit Wachs, Ton, Matsch), beim Malen (mit verschiedenen Mitteln), beim freien Schneiden; sprachlich mit zahlreichen Sprüchen, Versen, Reimen, bei der Inszenierung von Geschichten und Puppenspielen; musikalisch mit Liedern, rhythmischen Spielen, Klanginstrumenten; bewegungsmäßig in der Eurythmie.

Beim Ausüben mit den Kindern aller dieser Kunstformen geht es nie um die „Produktion von Kunstwerken“, sondern um den kreativen Prozess selbst, um die zwecklose Schöpfung. Taucht das Kind wirklich in diesen Prozess ein, kommt seine Seele in Bewegung; das Kind ist dann in der Lage, seinem Wesen Ausdruck zu geben. Es wird selbst Schöpfer und ist erfüllt: „Ich habe etwas eigenes geschafft, ohne mich wäre es nicht in der Welt“. Die Anerkennung der anderen Kinder und der Erwachsenen verstärkt seine Sicherheit und sein Vertrauen. Wir sind am Gegenpol der Aggressivität.

Die Aufgabe der Erzieherinnen ist es, eine Stimmung zu schaffen, aus der heraus das Kind sich wesentlich ausdrücken kann. Wir bieten einen geschützten Raum, in dem die Kinder mit elementaren Substanzen und Materialien aus der Natur und einfachen Techniken aus sich selbst kreativ werden. Je lebendiger und offenlassender das Material ist, desto reicher sind die Schöpfungen der Kinder. Wir gehen vom Ganzen, Unbestimmten aus und zeigen dem Kind einen Weg zur Differenzierung (z. B. beim Modellieren, wie aus einer Kugel ein bestimmtes Tier entsteht, oder wie aus Ähren/Gräsern eine Puppe wird). Wenn die Kinder im schöpferischen Prozess sind, sind sie instinktiv mit den Urbildern der Menschheit verbunden: Sonne, Mond, Sterne, Engel, Himmel und Erde, Leben und Tod, Haus, Baum, Mensch, Schiff, Wiege. Eine Hilfe auf diesem Weg ist, die Umgebung, in der das Kind aufwächst, so zu gestalten, dass es lebendige und künstlerische Prozesse nachahmen kann.